Bei der Enthüllung der Standarte der Brandenburgischen Kürassiere entrollt sich vor unseren Augen die ganze ruhmreiche Geschichte des Brandenburgischen Kurfürstentums, des Preußischen Königreichs und des Deutschen Kaiserreichs. Als Einleitung mögen die beiden folgenden Allerhöchsten Kabinetts-Orders dienen: Allerhöchste Kabinetts-Order vom 30. Dezember 1899 : "Ich habe beschlossen, dem Kürassier-Regiment Kaiser Nikolaus I. von Rußland (Brandenburgisches) Nr. 6 eine neue Standarte zu verleihen, nachdem die bisher von ihm geführte der Zeit erlegen ist. Ich weiß daß das Regiment, wenn es dereinst wieder zum Kampfe gegen die Feinde des Vaterlandes aufgerufen werden sollte, getreu den unvergeßlichen Überlieferungen des Regiments Gens d’armes die Lorbeeren von Oudenarde und Roßbach, von Zorndorf, Hochkirch und Groß-Görschen durch neue Heldentaten vermehren wird. gez. Wilhelm R." Allerhöchste Kabinetts-Order vom 30. Dezember 1899: ,, Nachdem Ich bestimmt habe, daß das Kürassier-Regiment Kaiser Nikolaus I. von Rußland (Brandenburgisches) Nr. 6 als eins angesehen werden soll mit dem 10./20. Dezember 1691 errichteten Regiment Gens d´armes, verleihe Ich ihm das Säkular-Standartenband und die Säkular-Schleife. Ich weiß, daß das Regiment aus diesem besonderen Beweise Meiner Königlichen Gnade einen weiteren Ansporn entnehmen wird, die bei allen Gelegenheiten bewiesene Treue und Hingebung an Mich, Mein Haus und das Vaterland auch in Folge jeder Zeit zu bewahren. gez. Wilhelm R." Diese beiden Allerhöchsten Kabinetts-Orders geben eigentlich die kürzeste Übersicht über die Geschichte des Regiments. Die nun folgende, ergänzende Ausführung bringt den Beweis, daß das Regiment stets den in ihnen ausgesprochenen Erwartungen genügt hat. Der unglückliche Feldzug des Jahres 1806 hatte den größten Teil der Preußischen Kavallerie vernichtet. Die von dem Major v. Stülpnagel Anfang 1807 aufgestellte Kürassier-Brigade, im November desselben Jahres unter dem Oberst v. Maltzahn "Märkische Kürassier- Brigade" genannte Truppe wurde aus folgenden Regimentern gebildet: 1. Eskadron: Regiment Gens d'armes (seit 1652 Kurfürstliche Leibgarde zu Pferde); 2. Eskadron: Leib-Regiment und Leib-Karabiniers (seit 1672 bzw. 1655); 3. Eskadron: v.Beeren-Kürassiere (seit 1666) ; 4. Eskadron: v. Ouitzow- und v. Reitzenstein- Kürassiere (seit 1683 bzw. 1688). Durch Kabinetts-Order vom 9. Januar 1808 waren 2 Standarten der Ouitzow-Kürassiere, die der Standartenjunker Heinrich von Egloffstein und der Unteroffizier Bertling vor der Kapitulation von Prenzlau über eine brennende Brücke vor den scharf verfolgenden Franzosen gerettet hatten, und deren Erhaltung auf dem Marsch nach Ostpreußen dem Sekondelieutenant von Loebell, dem späteren Regimentskommandeur, zu danken war, dem Regiment überwiesen. Eine dieser Standarten hat das Regiment bis 1899 geführt. Die silbernen Kesselpauken, die König Friedrich I. dem Regiment Gens d'armes im Jahre 1732 geschenkt hatte, wurden dem Regiment überwiesen. Am 18. März 1813, nach der Mobilmachung, vereinte sich das Regiment mit den schlesischen und ostpreußischen Kürassieren bei Breslau zur Brigade Dolffs und wurde der Schlesischen Armee, dem General v. Blücher, unterstellt. Besonders zeichnete es sich 1813 in dem Reiterkampf bei Liebertwolkwitz unter der Führung des Majors von Loebell aus. In dem Bericht des Brigadekommandeurs General v. Wrangel, heißt es zum Schluß: "Das Brandenburgische Kürassier Regiment hat zum Siege an diesem Tage das meiste beigetragen." Am Morgen nach der Schlacht erschien der König vor der Front des Regiments und lobte seine Tätigkeit. Im Januar 1814 überschritten die Kürassiere bei Niederlahnstein den Rhein und kehrten bei Arcis a. d. Aube zur Armee Blücher zurück. Im Januar 1815 wurde der Heimmarsch angetreten. Am 1. April wurde die 3. Eskadron zur Bildung des 4. Kürassier-Regiments abgegeben, so daß das Regiment am 22. April mit nur 3 Eskadrons ins Feld ging. Auf dem Marsch dahin befand es sich erst in Westfalen, als Blüchers Sieg bei Belle-Alliance den Sturz Napoleons herbeiführte, so daß es zu einer kriegerischen Tätigkeit in Frankreich nicht mehr kam. Im Dezember 1815 kehrte es aus der Bretagne in die Heimat zurück. Nach einem etwa 15 Monate langen Aufenthalt in der Provinz Sachsen im Brigadeverbande mit den 10. Husaren und nach Aufstellung einer neuen 4. Eskadron traf das Regiment im April 1817 wieder in seinen Garnisonen Brandenburg, Nauen und Rathenow ein. Vorher hatte es vor dem König in Potsdam paradiert, der ihm den Großfürsten Nikolaus von Rußland zum Chef gab. Seit 1850 stand das gesamte Regiment in Brandenburg a. d. H. 1864 wurde das Regiment auf besonderen Antrag seines Kommandierenden Generals, des Prinzen Friedrich Karl von Preußen, der mobilen 6. Division zugeteilt, und fand dann Verwendung als Aufklärungskavallerie bei der Garde-Brigade v. d. Mülbe. Das schwere Regiment löste diese Aufgabe, die eigentlich der leichten Kavallerie zukam, in besonders gewandter Weise und wurde im Armeebefehl belobt. Im Kriege 1866 war das Regiment mit dem Kürassier-Regiment Nr. 7 dem Reserve-Kavallerie-Korps der 1. Armee zugeteilt. Die Lösung irgendwelcher besonderer Aufgaben ist während dieses kurzen, glorreichen Feldzuges an das Regiment nicht herangetreten. Im Kriege 1870/71 gehörte das Regiment unter Führung des Oberstleutnants Graf zu Lynar der 6. Kavallerie-Division (Herzog Wilhelm von Mecklenburg) an. Die Namen verdienstvoller Patrouillenführer, Bernhard von Bredow, von Spalding und von Busse, sind aus dieser Zeit unvergeßlich geblieben. Am 18. Dezember 1870 kamen die Kürassiere als Aufklärungskavallerie zur 6. Infanterie-Division und blieben nach Schluß des Krieges zunächst in Chalons, später in Reims und Vaucouleurs bei der Okkupationsarmee. Am 6. August 1873 traf das Regiment wieder in Brandenburg ein. 41 Jahre später, im August 1914, verließ das Regiment Brandenburg wieder. Die Mobilmachung war erfolgt, mit Begeisterung eilten alle zu den Fahnen, und in Siegeszuversicht marschierten die Truppen in feldgrauer Uniform zur Bahn, in der Hoffnung, Weihnachten, vielleicht auch etwas später, die Heimat wiederzusehen. Das Kürassier-Regiment war der 22. und 38. Infanteriedivision des XI. Armeekorps als Divisionskavallerie zugeteilt. Führer der 2 Halbregimenter waren Oberst v. Poten bzw. Major Frhr. v. Schrötter. Zunächst ging es nach dem westlichen Kriegsschauplatz. Die 1. Eskadron nahm, vorausgesandt, an der Eroberung von Lüttich teil. Schon nach dem Fall von Namur, am 24.August, wurde das Regiment mit dem XI. Armeekorps am 30. August nach dem Osten verladen, um hier an der Schlacht an den Masurischen Seen teilzunehmen. Ende September wurde es wieder auf die Bahn gesetzt und in Krakau ausgeladen, um von Galizien aus sich an dem ersten Vorstoß nach Polen zu beteiligen, der die Eskadrons bis an die Weichsel bei Iwangorod brachte. Ende Oktober ging es wieder zurück über die Rawka und Warthe auf deutsches Gebiet unter zahlreichen Nachhutgefechten, an denen auch die Kürassiere rühmlich Anteil hatten. Unsere Aufklärung war durch die russische Reiterei, die zahlenmäßig immer überlegen war, sehr erschwert es dürfen daher die Namen der Leutnants Graf von Brühl, von Voß, von Eckartsberg, Wichard von Rochow (gefallen am 28. Oktober), von Schack, Graf Strachwitz und von Langenn-Steinkeller ihrer vorzüglichen Leistungen als Patrouillenführer wegen nicht ungenannt bleiben. Nach kurzer Rast bei Pleschen und Neustadt traten die beiden Halbregimenter mit dem XI. Armeekorps unter den Befehl der 9. Armee (General v. Mackensen) und wurden so an dem zweiten Vorstoß in Polen beteiligt (Schlacht bei Kutno und Schlacht bei Lodz). Am 17. Dezember begann die Verfolgung der Russen bis an die Rawka. Als am 30. Januar 1915 das XX. Armeekorps aus der Rawka-Front schied, wurde die 22. Infanteriedivision, der auch das 2. Halbregiment zugeteilt worden war, in die entstandene Lücke eingeschoben und auch dem Regiment ein großer Abschnitt zur Besetzung zugewiesen. Am 12. März wurde das 2. Halbregiment wieder zur 38. Infanterie-Division zurückgerufen und besetzte dort den Rawka-Abschnitt bei Glochowek. Hatten die Kürassiere gezeigt, daß ihre gute Friedensausbildung es ihnen ermöglichte, als Vorhut feindlichen Widerstand selbständig und schnell, ohne daß der Vormarsch der Infanterie aufgehalten wurde, zu brechen, so bewiesen sie auch an der Rawka- Front, z. B. am 8. März, daß sie einen feindlichen Angriff kaltblütig und verlustreich für den Feind abweisen konnten. Die kommende Zeit galt der Erledigung der starken russischen Weichsel-Front, die durch einen Zangengriff herbeigeführt wurde. Am südlichen Zangenstück (Armee Mackensen) waren die 107. Infanteriedivision mit 1. und 2./Kürassiere 6 und die 22. Infanteriedivision mit 5. und 6. /Kürassiere 6 beteiligt. Da beide Divisionen nebeneinander marschierten, hatten sie einen ähnlichen Weg, der bezeichnet wird durch die Schlachtfelder an der galizisch-polnischen Grenze, bei Lemberg, an der Huczwa, bei Brest-Litowsk, der Verfolgung durch die Pripjetsümpfe, bei Horodec, Drohiczyn-Chomsk und der Verfolgung auf Pinsk. Am nördlichen Zangenstück (Narew-Armee) war die 38. Infanteriedivision mit der 3. und 4. /Kürassiere 6 beteiligt ; ihr Weg ging über die Schlachtfelder bei Przasnysz, Pultufk, Ostrow, Sambrow, Bielsk über den oberen Njemen und die Kotra, südostwärts Grodno. Warschau war gefallen, die Mittelmächte waren Herren von Polen und Galizien. Ende September 1915 erhielten die Eskadrons neue Befehle über ihre weitere Verwendung. 1. und 2./Kürassiere 6 im Verbande der 107. Infanteriedivision hatten am 28. September 1915 das Aufmarschgebiet für den Feldzug gegen Serbien nördlich der Donau erreicht und gehörten mit ihrer Division, der 105. Infanterie-Division und der 11. bayerischen Infanterie-Division zum Korps v. Winckler der Armee v. Köveß. Am 12. Oktober 1915 überschritten sie die Donau bei Donadombo und zeigten sich auch auf diesem neuen Kriegsschauplatz ihren Aufgaben als Aufklärungskavallerie während des ganzen Vormarsches, der sie über Pozarevac-Krusevac bis in die Gegend von Dragusa führte, vollauf gewachsen. 3. und 4./Kürassiere 6 (Gruppe Wulffen) waren mit der 38. Infanteriedivision Anfang Oktober 1915 in Belgien ausgeladen worden und versahen dann in Gegend von Noyon den Schutz der Bahn Chauny-Noyon, später den Gendarmeriedienst im Maastal. 5. und 6./Kürassiere 6 (Gruppe Poten) waren Ende März 1916 mit der 22. Infanteriedivision aus Wolhynien an die Kurische Aa befördert zum Schutz von Mitau gegen russische Streit- kräfte in Riga. Im Spätjahr 1916 stand das Regiment mit Stab (Oberst v. Poten) bei der 85. Landwehr- Division in Wilna; 1. Eskadron (Rittmeister v. Rochow, H.) bei der 16. Landwehr-Division im Bezirk Wilna; 2. Eskadron (Rittmeister v. Wulffen) bei der 119. Infanteriedivision im Bezirk Wilna; 3. Eskadron (Rittmeister v. Massow) bei der 38. Infanteriedivision im Maastal; 4. Eskadron (Rittmeister d. R. Sander) bei der 1. Marine-Division in Nordflandern; 5. Eskadron (Rittmeister v. Mutius) bei der 85. Landwehr-Division bei Dereni, westlich Smorgon ; 6. Eskadron (Rittmeister v. Eggeling) bei der 22. Infanteriedivision in Nordgalizien. Oberst von Poten wurde am 18. Februar 1917 zum Führer der 33. Landwehr-Brigade und am 18. April zum Kommandeur der 11. Kavallerie-Brigade ernannt. Dorthin nahm er den bisherigen Adjutanten des Regiments, Oberleutnant Graf Brühl, mit, der am 1. September 1918 bei Soissons fiel. Kommandeur des Regiments wurde der schwerverwundete Oberstleutnant Graf Yorck von Wartenburg. Aus den wechselvollen Erlebnissen der Eskadrons bis zum Schluß des Krieges seien folgende kurz aufgeführt: Die 1. Eskadron nahm teil an der Abwehr der Kerenski-Offensive, am Vorstoß auf Minsk und wurde dann zum Kampf gegen die Bolschewiki in das Donez-Kohlenrevier entsandt. Über Mokro – Uspenskaja - Nikolajew – Konstantinopel - Konstanza gelangte die Eskadron nach Ungarn. Unterwegs ereilte sie die Nachricht von der Revolution. Nur der Energie des Rittmeisters v. Eggeling gelang es, den verschiedenen Versuchen zur Internierung zu entgehen, und die Eskadron bis nach Brandenburg zurückzuführen. Hier fand sie in dem Soldatenrat mit Isidor Baron an der Spitze die neue Richtung verkörpert vor, der sie die Schäden und alle Mühseligkeiten dieser traurigen Heimfahrt nach einem Kriege zu danken hatte, in dem die Eskadron dem Feinde nie unterlegen war. Die 2. Eskadron war 1918 abwechselnd in Orscha, in den Vogesen, in Belgien sowie in den Abwehrschlachten an der Somme und in Flandern eingesetzt. Nach Ausbruch der Revolution bildete sie den Heimatschutz um Militsch und Öls. Die 3. Eskadron nahm mit der 38. Infanterie-Division an den Abwehrschlachten bei Cambrai, in Flandern, bei Armentières, im Artois und zwischen Deulekanal und Schelde teil. Als vorgeschobene Posten im Schützengraben, auf Beobachtungswarten, bei Schanzarbeiten, als Meldereiter bei der Infanterie, überall zeigten sich die Brandenburgischen Kürassiere als besonders zuverlässig und veranlaßten den Divisions-Kommandeur, nach jedem Einsatz der Division der Eskadron seine Anerkennung aus zusprechen. Die 4. Eskadron wechselte in ihrer Tätigkeit zwischen Nord-Flandern, Artois, Brest-Litowsk. Minsk und schließlich dem Elsaß. Die 5. Eskadron war bei der 85. Landwehr Division durchweg in Rußland. Auch sie traf in tadelloser Ordnung in Brandenburg ein. Die 6. Eskadron begleitete die 22. Infanterie Division von Mitau über Lemberg, dann als Vorhut bis Kolodcz über Tarnopol bis Skabat und endlich nach dem Westen, wo sich die Kürassiere besonders bei Reims und Cambrai auszeichneten. Wenn auch dem Regiment bei seiner Bestimmung als Divisionskavallerie, erst auf 2, dann auf 3 und endlich auf 6 verschiedene Divisionen auf fast allen Kriegsschauplätzen verteilt, ein gemeinsamer Schlachten-, Ruhmes- und Ehrentag im Weltkriege fehlte so ist es doch mit blankem Schild aus diesem Ringen in die Heimat zurückgekehrt, und kann mit Stolz auf eine Ehrenzeit, die Zeit des ganzen Krieges, zurückblicken. Stets haben die Brandenburgischen Kürassiere die Anerkennung ihrer Vorgesetzten und ihrer Kameraden der anderen Waffen gefunden. Bis zum Schluß des Krieges und darüber hinaus ist der alte Brandenburgische Kürassiergeist in den Angehörigen des Regiments lebendig geblieben. Am 1. Februar 1919 stellten Rittmeister v. Cramm und Oberleutnant Frhr.v. d.Bussche-Streithorst je 1 Freiwilligen-Eskadron auf, die zunächst im Grenzschutz im Kreise Preußisch-Stargard Verwendung fanden, bei der Heeresverminderung zu einer Eskadron zusammengelegt und so als 1. Eskadron (Brandenburgische Kürassiere) des 3. (Preußischen) Reiter-Regiments in das Reichsheer übernommen wurden. Diese Eskadron hat hier die schwere, aber schöne Aufgabe, die Tradition des Kürassier-Regiments Kaiser Nikolaus I. von Rußland (Brandenburgisches) Nr. 6 zu wahren. Hie guet Brandenburg allewege.